In Silent Hunter III sollten die Häfen des Feindes für U-Boot-Kapitäne lebensgefährliche Orte darstellen. Sie sollten nahezu uneinnehmbar aber so anziehend wie eine spanische Galeone sein, die mit Silber voll beladen aus der Neuen Welt zurückkehrt.
Das U-Boot sollte in der Lage sein, innerhalb der gegnerischen Häfen anzugreifen. Das war es, was ich unbedingt in Silent Hunter III sehen wollte. Vorbild für die Infiltrationseinsätze in alliierten Häfen war für mich Gunter Priens berühmtes Vordringen in die Bucht von Scapa Flow.
“Nur eine schmale Passage stand offen, da einige gesunkene Schiffe den Kurs von U.47 versperrten. Die Gezeitenströmung drohte das Boot vom Kurs abzubringen. Den Maschinen musste das Letzte abverlangt werden, um durch den schmalen Durchgang zu gelangen, der links und rechts kaum Raum ließ. “Kommandant an Mannschaft. Wir sind drinnen!”
Der nächste Schritt war ein lohnenswertes Ziel zu finden … und es anzugreifen! Für den Rest des Weges zum wohlbekannten Ankerplatz der britischen Flotte ließ Wessels auf eigene Verantwortung beide Diesel anwerfen. Sie trieben nun die Schrauben an und luden gleichzeitig die Batterien,. Später würden diese bis zur völligen Erschöpfung arbeiten müssen.
Die Bucht war nahezu verlassen. Nur einige wenige Tanker lagen vor Anker und für den Augenblick war nichts weiter zu sehen. Aber dort, weiter hinten in der Ferne, diese Umrisse, diese eigenartigen dreideckigen Konstruktionen … das konnten nur Kriegsschiffe sein. Es waren zwei, die Royal Oak und dahinter die Repulse, daran bestand kein Zweifel. Der große Bug der Repulse, der deutlich hervorstach, bot das erste Ziel … Treffer!” (S.27 Jäger, Gejagte Deutsche U-Boote 1939-1945 von Jochen Brennecke)
In unserem Spiel sollte der Hafen ein Bollwerk mit Küstenbefestigungen, Luftabwehrbatterien, Zerstörern, stets wachsamen Patrouillenbooten und heimtückischen Minengürteln sein. Einem Spieler, der die Schiffe am Quai angreifen will, sollte eine Menge Mut abverlangt werden. Ein solcher Infiltrationseinsatz mag wie ein Himmelfahrtskommando erscheinen, doch gerade dadurch wird sich der Spieler herausgefordert fühlen, es mit angehaltenem Atem und pochendem Herzen zu wagen. Es ist die Art von Einsatz, bei der man bei langsamer Fahrt alle 5 Meter einen gewaltigen Adrenalinschub verspürt.
Scapa Flow … ein anregendes Vorbild, nicht wahr? Und es gibt so viel andere Orte, an denen sich das Abenteuer eines Gunter Priens wiederholen lässt … warum nicht in Silent Hunter III?
Wie hat alles begonnen?
Es war unsere Absicht, einige wenige, zuvor bestimmte Orte in verschiedenen Zonen als U-Boot-Basen zu nutzen: Nordatlantik, französische Küste, Mittelmeer und Indonesien. Jeder dieser Orte sollte nicht-interaktive Aus- und Einlaufsequenzen bieten. Der Aufbau der Orte erforderte zahlreiche Details wie spezielle Gebäude, detaillierte Anleger, U-Boot-Hallen und natürlich eine Fanfare. Ursprünglich wollten wir nicht-interaktive, gerenderte Engine-Sequenzen benutzen (die Community hatte das in gewisser Weise als “besser als nichts” akzeptiert), da wir unter Zeitdruck standen und nur wenig Spielraum hatten, die Häfen auszuarbeiten.
Aber nachdem wir gesehen hatten, was bei der Modellerstellung der Häfen herausgekommen war, wollte ich die U-Boote im Spiel am liebsten eigenhändig andocken. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht allzu viel Hoffnung, dass es klappen würde, aber ich hoffte dennoch.
Ich merkte, dass es ein Fehler wäre, die Häfen unter nicht-interaktiven Sequenzen zu verschütten, da wir dadurch auf ein weites Entwicklungsfeld verzichten würden. Ich wusste, dass ich eine Lösung finden musste, um dieses Feature im Spiel aufzunehmen und dadurch das Gameplay zu bereichern und dem Spieler eine weitere Herausforderung zu bieten.
So wurde es zu meinem vorrangigen Ziel, einen Weg zu finden, diese adrenalinsteigernden Missionen einzubauen, in denen der Spieler mit seinem U-Boot in einen gegnerischen Hafen eindringen, sein Ziel zerstören und dann schleunigst aus dem Hornissennest verschwinden muss, in das sich der Hafen inzwischen verwandelt hat.
Wie dem auch sei, Silent Hunter benötigte zuerst Häfen. Und um für ein wirklich realistisches und fesselndes Gameplay zu sorgen, mussten diese sehr detailgetreu nachgebildet werden. Nur so war es möglich, dieselbe Qualität zu erreichen, die man aus den anderen Bereichen des Spiels kennt. Klingt einfach, oder? Aber wie sollte man einen detaillierten Hafen erstellen, der spielerisch eine Herausforderung darstellt, visuell eine Bereicherung ist und gleichzeitig nicht zu viele Ressourcen frisst?
Zu Beginn erschien das unmöglich. Aber die Idee lies mich nicht los und schwirrte fortan in meinen Gedanken herum. Nach einem Gespräch mit den Programmierern über “Tile-Systeme” hatte ich die Gewissheit, dieses Feature erfolgreich in Silent Hunter III implementieren zu können. Perfekt! Damit hatten wir unerwarteter Weise eine Lösung: visuell ansprechend, spielerisch herausfordernd und gleichzeitig Ressourcen schonend. Es war so einfach wie ein Puzzle. Mithilfe von allgemeinen Umgebungselementen und verschiedenen Zusatzelementen konnten wir gewaltige Anlagen errichten, ohne den Prozessor zu überfordern (z.B. der Hafen von Alexandria hat in Silent Hunter III eine Länge von 11 Kilometern).
Aber es blieb nach wie vor ein schwerwiegendes Problem zu lösen. Es gab keinen Editor und wir hatten ein Zeitproblem. Würden die Programmierer genug Zeit bekommen, einen Editor herzustellen? Unsere Engine nutzte bereits ein Object Cloning-System, doch leider verfügte dieses nicht über ein Snap-, Align- und Snap-Rotate-System, konnte also nicht für das “Tile-System” eingesetzt werden. Nach ein paar Tagen der Recherche machte ich den Vorschlag, das Xref-System des 3D Studio Max als Hafen-Editor zu benutzen. Das würde nur ein paar kleinere Änderungen am Cloning-System erfordern, das bereits in der Spiel-Engine vorhanden war. Die Lücke zwischen 3D Studio Max und der Engine wurde in Rekordzeit geschlossen (Ich muss an dieser Stelle sagen, dass die Programmierer die Trumpfkarten im Silent Hunter III-Team waren und den Grafikern und Designern die Freiheit gaben, die sie brauchten, um die visuelle Qualität zu erreichen, die wir erwarteten).
So ist es gekommen, dass die Häfen in Silent Hunter III umgesetzt wurden. Darüber hinaus haben wir die Absicht, die Quelldatei mit dem Tile-Kit für die Community verfügbar zu machen. Auf diese Weise werden die Spieler in der Lage sein, die Häfen zu verbessern, zu vergrößern und zu aktualisieren (charakteristische Gebäude, neue Häfen, usw.). Praktisch bedeutet es, dass das Kit niemals veraltet, so lange es eine Silent Hunter III-Community gibt).
Als ich zum ersten Mal auf dem Gefechtsturm meines Typ VII-U-Boots in den Heimathafen einlief … war ich wahrhaft glücklich.